Für Aminata.
Im Oktober 2022 fand die Konferenz „Haymat Ost“ statt, gemeinsam veranstaltet von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Verband Binationale Familien. Am Eröffnungsabend trug ich zu einer Szenischen Lesung bei. Vielleicht war das eher eine Mischung aus oralem Erzählen, Sololesung und Performance, things went as they went 😀
Dabei waren:
- Christan Hernán Gárate Garay («...die DDR schien mir eine Verheißung»)
- Francisca Raposo (Autorin «Von Mosambik in die DDR»)
- Yasemin Said (Perspectives Leipzig, narratif-Magazin)
Moderiert hat Gonca Sağlam (narratif-Magazin). Ich startet mit:
Lang lang
ließ ich mich drängen
in ein Eismeer
in die Stille
und meine Stimme
wurde brüchig wurde hart
Auszug aus meinem Gedicht „Neuer Klangkörper“
Eine Premiere für mich war das Performen auf Sächsisch. You heard right. Sächsisch, der Dialekt, der mit so vielen Stigmata besetzt ist. Der Dialekt, der in den westdeutsch dominierten Medien fast synonym mit dem des „ahnungslosen frustrierten Ossis“ ständig degradiert wird. Als Jugendliche in den 90ern wurde mir mit meinem light-skinned Schwarzsein und weiteren Marginalisierungen – auch wenn ich dafür noch keine Sprache hatte – in einer weißen Dominanzgesellschaft sehr klar vermittelt: Wenn ich nicht Ziel von Witzen und Abwertungen aufgrund meines Sächsischsprechens werden möchte, muss ich meine ERSTsprache so schnell wie möglich loszuwerden und jedwede Spur an sie zu verwischen. Das mit dem Verwischen gelingt mir zugegebenermaßen nur mäßig. Diese meine Art zu sprechen ließ einige weiße Menschen im Laufe meines Lebens regelmäßig vermuten, dass sogenanntes Hochdeutsch meine Zweitsprache wäre. Was ja auch stimmt. Dass meine Erstsprache das Sächsische ist, war wohl kaum Teil dieser rassistischen Mutmaßungen. I mean c’mon: Vom Aussehen von Menschen auf deren Sprache schließen, wie macht das Sinn?
Als ich „Doheeme“ für die Lesung schrieb, sitzend am Maybach-Ufer in Berlin, wurde ich von Gefühlen überwältigt. Ich ließ Tränen fließen, verwirrt von der Familiarität meiner sächsischen Worte in der Gleichzeitigkeit von seltsamen Verstocktsein meiner tief vergrabenen Sprache. Ich verschickte sächsische Sprachnachrichten der Textentwürfe an Schwarze Menschen aus Sachsen und im Osten. Brauche ich Erlaubnis um zu sprechen, wie ich mag? Surely not. Kann ich immer mit den Auswirkungen dieser Entscheidung in weißen akademisierten Räumen aushalten. Surely not.
im hior un jetze
läb isch wie ä
mudschekiebschn
wie ne
flieschende Welthalbkuchl
mit kleen Bünktschn
wie Schwoarze Inslschn
un immoa wemmoa
uns zu findn schaffn
hammoa
üboarall ä eischnes
doheeme
Auszug aus „Doheeme“ (Zuhause)
Die Orthografie ist meine eigene. Ich hätte bei der sächsischen Mundartdichterin Lene Voigt schauen können, jedoch fand ich die Idee einer persönlichen Variante so magnifique.
Die „Übersetzung“ ins Standarddeutsche habe ich auf der „Haymat Ost“-Konferenz ebenfalls performt, hier jedoch lass ich den sächsischen Text für sich selbst sprechen. You can email, if you need a translation, hehehehehe 🙂
Achso, ich war nur am Eröffnungsabend im Theater der Jungen Welt in Leipzig, welches die Konferenz gehostet hat. Daher kann Quyên Vo hier mehr Einblicke geben.